Die Jehmlich-Orgel der Mittelschule Oschatz
Unsere Orgel hat eine interessante, noch nicht in alle
Einzelheiten erforschte Geschichte. Gebaut wurde sie in einer Zeit, in der
wegen des schon seit mehr als zwei Jahren tobenden zweiten Weltkrieges kaum
noch Orgeln entstanden, schon gar nicht in Schulen. Entsprechend groß war dann
auch der ideologische Rummel, als die Orgel am 18. September 1942 in
Anwesenheit sächsischer Nazigrößen im Festsaal (Aula) der damaligen
Hans-Schemm-Schule "geweiht" wurde.
Wann die Orgel zum letzten Mal öffentlich gespielt wurde,
ist ebenfalls noch nicht klar. Manche Zeitzeugen sprechen von 1953, andere von
1960. Fest steht aber, dass bis zum Ende der siebziger Jahre von der Orgel kaum
Notiz genommen wurde, es sei denn, der Spieltisch musste in eine andere Ecke
der Aula gerollt werden, weil er im Wege stand. Auf Betreiben des damaligen
Musiklehrers an der Pestalozzi-Oberschule, Herrn Grosser, wurde die Elektrik
des Orgelmotors in Stand gesetzt. Leider zeigten sich an der Orgel verschiedene
Schäden, die das Werk letztendlich unspielbar machten. An eine Instandsetzung
war damals wegen des mangelnden Interesses der staatlichen Stellen leider nicht
zu denken. Anfang der 90er Jahre "verschwand" dann der fahrbare
Spieltisch im Zuge von Renovierungsarbeiten auf dem Schulboden.
Aufmerksam geworden durch die Facharbeit einer Schülerin des
Pestalozzi-Gymnasiums über die Oschatzer Orgeln, fasste ein kleiner
"Freundeskreis Orgel" (Herr Linhart, Frau C. Grosser, Herr J. Grosser) 1999 den Entschluss, sich um eine Wiederherstellung der in ihrer
Originalsubstanz erhaltenen Orgel zu bemühen. Da dieses Vorhaben auch die
Unterstützung der Schulleitung fand, wurden zuerst der Spieltisch, die
Orgelbank und diverse andere Teile mühsam auf dem weitläufigen Schulboden zusammengesucht
und gereinigt. Im Frühjahr 2000 besichtigte der Orgelbauer Lindner aus Radebeul
das Instrument und empfahl eine provisorische Instandsetzung der Windanlage und
der Steuerelektrik, um eine genauere Schadensanalyse zu ermöglichen. Insgesamt
konnte der Orgel aber in überraschend guter Erhaltungszustand bescheinigt
werden. Im Sommer 2000 wurde dann die Orgel von Staub und Schutt der letzten
Jahrzehnte befreit und der Orgelmotor instand gesetzt, so dass eine gezielte
Schadensaufnahme gemacht und ein Reparaturplan erstellt werden konnte.
Dank des Engagements von Schulleitung, Förderverein und
"Freundeskreis", dank der Unterstützung durch die Stadt Oschatz und
der Stiftung der Kreissparkasse Torgau-Oschatz, dank der vielen kleineren und
größeren Spenden und nicht zuletzt auch dank des Entgegenkommens der Orgelbauer
Lindner und Bartsch kann unsere "Königin" nach nur zwei Jahren
Reparaturzeit zumindest klanglich wieder in altem, neuen Glanz erstrahlen.
Aber auch die Orgel selbst weist eine Reihe interessanter
Besonderheiten auf. Es ist ein Instrument mit elektro-pneumatischer Traktur.
Insgesamt 23 Register verteilen sich auf zwei Manuale und Pedal. Dabei dürfte
die Belegung des II. Manuals allein mit 12 Registern davon nicht all zu häufig
sein. Die Disposition ist insgesamt verhältnismäßig stark ausgebaut. So gibt es
drei Mixturen, die zum Teil 7fach besetzt sind und mehrere Zungenstimmen. Auch
fehlt der Orgel ein Prospekt im herkömmlichen Sinn. Das Pfeifenwerk, teils aus
Holz, teils aus Zinn bzw. Zink befindet sich hinter einer Wandverkleidung aus
geschnitzten Verzierungen in einem Raum neben der Aula. Der fahrbare Spieltisch
kann an zwei verschiedenen Stellen in der Aula aufgestellt werden. Die
notwendigen Anschlüsse befinden sich hinter der hölzernen Wandtäfelung.